Mitgefühl
Mitgefühl - die “Super-Ressource” des Menschen
Schon Charles Darwin wusste, dass das Mitgefühl im Verlauf der Evolution die Entwicklung der stärksten Überlebenschancen einer Spezies begünstigt: Gemeinschaften mit den meisten mitfühlenden Mitgliedern werden sich durchsetzen, meinte er.
Mitgefühl - Eine soziale Emotion
In der aktuellen öffentlichen und politischen Diskussion ist Mitgefühl ein häufig genutzter, aber gleichzeitig umstrittener Begriff:
In der Debatte um die Aufnahme Geflüchteter, in der wachsenden Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr, in der Anteilnahme, wie aber auch den Hasstiraden innerhalb der sozialen Medien.
Spektakuläre Fortschritte hat die wissenschaftliche Erforschung von Mitgefühl und Empathie insbesondere durch die Neurowissenschaften gemacht.
Die neuen Erkenntnisse führten auch dazu, dass nachweislich das Erlernen und Trainieren vieler Aspekte des Mitgefühls in Therapie und Meditation Stressreduktion und Gesunderhaltung bewirken. Bei all dem wird oft übersehen, dass Mitgefühl zu den zentralen Konzepten des christlichen Glaubens gehört.
Mitgefühl – in kirchlicher Sprache noch häufig Barmherzigkeit genannt – steht im Zentrum des Christentums, des Judentums, des Islam, des Buddhismus und zahlreicher anderer Religionen.
Alltagssprachlich heißt Mitgefühl “Ich kümmere mich um den anderen, ich sorge für ihn”, so formuliert es der Professor für Psychologie, Paul Bloom, von der Yale University. Bloom ist einer der Forscher, die seit einigen Jahren Mitgefühl wissenschaftlich erforschen. Ein weiterer von ihnen ist Paul Gilbert, Professor für Klinische Psychologie an der University of Derby. Gilbert war einer der ersten, die sich wissenschaftlich mit dem Phänomen Mitgefühl auseinandersetzten. Er publizierte mit The Compassionate Mind das erste umfassende Werk überhaupt in einem wissenschaftlichen Zusammenhang.
Seit einigen Jahren beschäftigen sich die sogenannten „Neurowissenschaften“ mit Mitgefühl als „sozialer Emotion“. Mitgefühl wird dabei im Aufbau und der Funktion der Nervensysteme des Gehirns untersucht.
Mitgefühl wird als eine Emotion betrachtet, bei der ein Individuum spürt, wie es jemand anderem geht und was er im Augenblick braucht. Eingebettet ist Mitgefühl - sowohl nach den evolutionsbiologischen Modellen wie auch sozialkognitiven Ansätzen- in ein System, dessen wesentliche Funktion Bindung und Beziehung ist. Hilfeleistung, Unterstützung, Vertrauen und Kooperationsbereitschaft sind wichtige Funktionen, um dem eigenen Nachwuchs gute Überlebenschancen zu bieten.
Viele meinen, dass nicht Mitgefühl, sondern Durchsetzungsfähigkeit von den Evolutionstheoretikern als Entwicklungsstrategie der Natur gelte. Aber schon Charles Darwin sah das anders. In seinem Werk über “Die Abstammung des Menschen” meinte er zum Mitgefühl: _Jene Gemeinschaften, welche die größte Zahl der mitfühlenden Mitglieder umfassen, werden am besten gedeihen und die größte Anzahl von Nachkommen erzielen._Den Grund dafür sah er ganz einfach darin, dass mitfühlende Arten einander helfen und verteidigen.
So ist Mitgefühl schon biologisch tief in der Natur des Menschen verankert. Dennoch, darin sind sich Wissenschaftler einig, lässt es sich lernen und vertiefen. Wer es übt, erlebt dabei nicht nur Entspannung und Wohlbefinden, sondern kann auch mit eigenen schmerzvollen und belastenden Lebenssituationen viel besser umgehen.
Laut Kristin Neff, einer der bekanntesten Forscherinnen zum Thema Selbstmitgefühl, braucht die Stärkung des Selbstmitgefühls zunächst einmal eine wertungsfreie Wahrnehmung dessen, wie es uns geht. Dieser Schritt hilft uns, mentale Barrieren für Selbstmitgefühl zu erkennen, wie Selbstkritik, wahrgenommene soziale Isolation oder Antipathie. Selbstmitgefühl beinhaltet auch Bemühungen, die gemeinsame Menschlichkeit hervorzuheben – das eigene Gefühl der Verbundenheit, Zugehörigkeit und sozialen Integration. Der dritte Schritt besteht darin, unseren angeborenen Drang zur Fürsorge anzuzapfen und zu stärken, damit wir uns selbst in schwierigen Zeiten die unterstützende Haltung bieten können, die wir anderen spontan geben.
Die Grundübungen zum Mitgefühl findest Du in der App Compass8.
Quellen: Gilbert, Paul (2010): The compassionate mind. A new approach to life's challenges. London: Constable. Neff, Kristin; Germer, Christopher K.; Helm, Nadine (2019): Selbstmitgefühl – Das Übungsbuch. Ein bewährter Weg zu Selbstakzeptanz, innerer Stärke und Freundschaft mit sich selbst. Deutsche Erstausgabe, 1. Auflage.